Im gewissen Sinne ist das Winterloch auch immer mal ganz gut, um auf die Dinge zurückzublicken, die das Jahr so hinterlässt. Zu selten macht man das eigentlich, so gierig ist man immer schon auf das nächste Spiel, das nächste Kribbeln, immer weiter, immer weiter geht es voran mit dieser atemberaubenden Holstein Geschichte. Seit 10 Jahren fast immer nur eine Richtung, bergauf. Da ist ein Jahrhundertspiel, in dem man den HSV erneut zum zweiten Male auseinandernimmt und das gerade mal eine Woche her ist, schon fast wieder vergessen. Da blickt man voller Gier schon wieder in ein neues Jahr und sieht sogar die Bundesliga, in die ich eigentlich nie wollte, als Silberstreif am Horizont. Und doch vergisst man die Macher, die Bornemanns, Gutzeits, Neitzels und wie sie alle heißen nicht, wo wären wir ohne sie?
Wie leicht man an Blender und Trittbrettfahrer gerät weiß man nicht nur beim HSV, wo es ja Masche ist solche Leute einzustellen, sondern eben auch mal bei uns. Wenn man sieht, wie ein Herr Becker am Anfang des Jahres mit dem Präsi aneinandergeraten ist und die Arbeit daraufhin für den Rest seiner Laufzeit einstellte, fällt es mir nicht schwer, das „Arrschloch des Jahres“ hier zu benennen. Wie gut, daß er weg ist und wie gut, daß wir mit Fabian Wohlgemuth einen grandiosen, echten Sportlichen Leiter nach Kiel holen konnten.
Nicht alle Weichen stehen auf grün, gerade in Sachen Stadionausbau ist einiges schief gelaufen. Sich nicht der Frage zu stellen, wer diesen extravaganten Entwurf einer Tribüne überhaupt bauen kann und was zu tun ist, wenn es sich verzögert, halte ich für fahrlässig. Jeder Amateurverein, auch die Formel 1 oder irgendwelche hochgejubelten Popstars holen sich für ein Event Leihtribünen, warum geht es bei uns nicht, wenn es doch nur ein zeitliches Problem ist, unsere Tribünenträume zu verwirklichen? Auch als Mieter eines Stadions kann man doch mal Eigeninitiative und Kreativität entwickeln. Mir persönlich reicht auch Stahlrohr, ich brauche den Schickimicki, den die DFB Sesselfurzer verlangen nicht.
Sportlich lief es ja bekanntlich besser. Um chronologisch zu bleiben, begann das Jahr ja mit dem Trainingslager in La Manga mit einem 2:2 gegen St. Truiden und dem 1:2 gegen Seoul, es sollten neben dem Sommerspiel gegen Eibar die einzigen Spiele Holsteins werden, die ich im Jahr 2018 verpassten sollte. Tatsächlich, und ich kann mich kaum daran erinnern, setzte sich die Sieglosserie zu Jahresbeginn fort und endete nach unnötigen Niederlagen in Kaiserslautern und bei Pauli erst mit dem fulminanten 5:0 gegen Duisburg. Da aber ja auch die ganze Liga immer für uns spielte blieben wir als Herbstmeister auch im Frühling oben dran. Nur noch Nürnberg konnte uns letztlich aufstiegsentscheidend schlagen, nachdem wir in Ingolstadt 5:1 und Dresden 4:0 grandiose Auswärtssiege gefeiert hatten. Unvergessen auch die Tour mit 4000 Kielern nach Düsseldorf, in der uns Duuucksch die Relegation letztlich sicherte. Überhaupt diese Auswärtstouren. Wie stolz wir durch die Städte der Republik gereist sind und wie meist herzlich man Kieler fast überall aufgenommen und wahrgenommen wurde, das bleibt bei mir in großer Erinnerung. Wir, das kleine, unverdorbene Kiel, da wo die Fußballwelt noch in Ordnung ist, wo man die Erfolge noch erarbeitet und nicht erkauft, darum beneidet man uns immer wieder überall!
Auch deswegen konnte ich mich für die Relegation nicht recht begeistern. Sicher waren wir ein ebenbürtiger Gegner gegen diese zusammengekaufte, millionenschwere Truppe von VW, aber das Scheitern tat außer der Mannschaft und einigen Sponsoren eigentlich niemanden wirklich weh. Die Zusammensetzung der neuen zweiten Liga ist bei mir um Längen derer der ersten Liga voraus, Wolfsburg hätte nicht da rein gepasst und wir hätten etwas verpasst. In der ersten Liga spielen doch gerade mal noch 3-4 einigermaßen unverdorbene Mannschaften, die uns dann in den nächsten Jahren besuchen. Das ist Gesetz des modernen Geldfussballs und ich kann da gut mit leben. Die Ehrlichkeit der 2. Liga ist mir mehr wert als die Show darüber!
Fußballspieler und Trainer müssen das anders sehen, die haben nur diese eine Karriere, in der sie Geld verdienen können. So kam es zum Umbruch. Keinen Vorwurf an Anfang, Czichos, Ducksch und Drexler, denen man ja immer wieder Untreue und dergleichen vorwirft, jeder von uns hätte es genauso gemacht. Wir Fans sollten das wissen und nicht jedem Spieler, der die Karriereleiter weiter nach oben klettern möchte, gleich einen Strick um den Hals legen. Treue hört im Fussballgeschäft nun mal beim Geld auf, Liebe nicht. Gab es kürzlich zu sehen, als der Ducksch in Duisburg bei unserem Sieg dort auf seine alten Fans und Freunde traf, auch ein bewegender Moment des Jahres!
Neue Leute kamen, gute Spieler aber prägend allen voraus der neue Trainer, Tim Walter. Mit FCB Gen. Schwierig aber machbar. Der, der alles auf den Kopf stellte, die Spielidee und somit auch die Mannschaft. Stammspieler wie der Fußballgott und Peitzer draußen vor. Junge Leute drin, wahrlich nicht schlecht. Kommunikation, Gefühl, Erscheinung, ach was, jeder Trainer hat so seine Schwächen, und letztlich gibt der Erfolg doch immer wieder Recht. Und wenn er weiter daran arbeitet, auch sich selbst mit unserer Hilfe immer weiter zu verbessern, dann kann aus dem Jungen auch nochmal richtig was werden.
Aus dem Trainingslager in Bad Gögging kam auf jeden Fall eine völlig frustrierte Mannschaft, die sich dann aber nach einer sehr abwechslungsreichen Vorbereitungstour über die Dörfer von Hetlingen, Todesfelde und Ismaning schnell als Gegenpol zum Trainer zusammengerauft hat. Auch eine Art Grüppchenbildung zu vermeiden. Um zum Saisonstart da zu sein. Gegen Hamburg. Im Volkpark. 3:0 Auswärtssieg. Ein Spiel für die Geschichtsbücher. Zwei Tage keine Stimme. Nur die KSV. 6000 Kieler glückseelig. Der Tag des Jahres.
Seitdem verläuft die Saison normal. Wir verlieren auch mal unglücklich in der Schlussphase wie in Berlin und Aue, andermal retten wir unsere Fehler über die Ziellinie und nehmen Punkte mit. Viele Punkte. Und zunehmend verdiente Punkte. Wie auf St Pauli oder bei dem Gemetztel in Paderborn. Geile Spiele, weite Fahrten, attraktive (Aue, Dresden, Berlin...)und weniger attraktive Stadien (Regensburg, Fürth, Duisburg...) aber immer auf Tour und voll motiviert, unsere Jungs zu tragen und zum Erfolg zu brüllen. Und, lieber DFB, auch gerne mit Pyro und Choreos. Tradition erhalten. Der Fußball gehört den Fans. Wie das Silvesterfeuerwerk zu Silvester. Wie ihre Zigarre zu ihrem Geldkoffer...
Pokal war auch noch. Extrafeste in München mit Biergarten und Sommerlaune und gegen Freiburg mit Fußball zum Zunge schnalzen. Und nun in Dortmund bei der Pokalauslosung ein weiters Heimspiel gegen Augsburg aus dem Topf gezogen, wird es wieder ein Märchen?
Ein Märchen, ein Traum, der in Erfüllung geht, ein Wunder oder einfach nur der Lohn für harte, ehrliche Arbeit? Man kann das Jahr 2018 sehen wie man will, jeder aus seinem Blickwinkel, mit seiner Freude und mit seiner Kritik, aber eines scheint ganz sicher zu sein, Holstein schweißt uns alle zusammen! Wir sind wieder wer im Fußball. Keine andere Stadt, keine andere Liebe, nur Holstein! Danke.